Bildbände, die mich inspirieren

Teil 1

Neben Ausstellungen sind Fotobildbände für mich eine wunderbare Möglichkeit, Fotografien zu erleben. Im Laufe der Jahre ist meine Sammlung stetig gewachsen. Deshalb möchte ich hier einige meiner Favoriten vorstellen. Bücher, die mich inspirieren und die ich mir immer wieder gerne anschaue.

Vielleicht macht es auch euch Spaß, ein bisschen mit durch die Seiten zu blättern.

In diesem ersten Teil bleibe ich thematisch bei der Street- und dokumentarischen Fotografie.

„Nur wenige können sehen, die meisten Menschen schauen nicht einmal hin.“

Fred Herzog

Fred Herzog – Modern Color
Fred Herzog war ein deutsch-kanadischer Fotograf, der vor allem mit seinen farbigen Straßenfotografien aus Vancouver bekannt wurde. Bereits in den 1950er-Jahren fotografierte er auf Kodachrome-Dia-Farbfilm, zu einer Zeit, als viele seiner Kollegen noch mit Schwarzweißfilm arbeiteten und Farbe in der künstlerischen Fotografie kaum eine Rolle spielte. Herzog war also ein Farbfotograf der ersten Stunde. Nicht der Einzige, wie ihr später noch sehen werdet, aber definitiv einer der ersten.

“Der Bildband Modern Color eröffnet einen eindrucksvollen Blick auf das Werk eines der bedeutendsten Vertreter der New-Color-Bewegung”.

„1957 wurde ich medizinischer Fotograf … Ich hatte große Freude daran, durch die alten Straßen Vancouvers zu gehen, die Gebrauchtläden, die Menschen und die Beschilderungen anzuschauen. Für mich war das eine Art Lebendigkeit, die mich direkt ansprach.“

Seine Arbeiten waren mir bis vor Kurzem völlig unbekannt, umso mehr freue ich mich, dass der Hatje Cantz Verlag 2016 ein so umfassendes Werk veröffentlicht hat und seine Fotografien dadurch auch in meinen Fokus gerückt sind.

Was mir an Fred Herzogs Bildern besonders gefällt, sind seine Beobachtungen des städtischen Alltags im Vancouver der 1950er - 1960er Jahre. Mit feinem Gespür für Licht, Farbe und Komposition dokumentiert er Straßenszenen, Schaufenster, Passanten, scheinbar beiläufig, und doch mit großer Tiefe und Empathie. Seine Fotografien sind damit nicht nur künstlerisch gut, sondern auch ein eindrucksvolles Zeitdokument über Wandel und Zerfall der Stadt.

Wie ich finde war Fred Herzog kein klassischer Fotojournalist, aber auch kein reiner Streetfotograf. Vielmehr dokumentierte er das öffentliche Leben mit dem geschulten Auge eines Streetfotografen, aber dem Langzeitinteresse und gesellschaftlichen Bewusstsein eines Dokumentaristen.

Besonders ins Auge fallen die satten Farben, hier wird der Buchtitel zum Programm. Leuchtende Rottöne treffen oft auf matte Blautöne und erzeugen eine ganz eigene Stimmung. Ein Lieblingsfoto aus dem Band auszuwählen, fällt mir schwer, es gibt einfach zu viele interessante Aufnahmen. Dennoch möchte ich ein paar Aufnahmen nennen, die mir besonders gut gefallen:

Eines meiner liebsten Fotos ist definitiv das Titelbild, das im Buch auch aus ein paar anderen Perspektiven zu sehen ist. Ebenfalls sehr bekannt und genial, ist das Bild mit dem Titel - Man with Bandage, das im Leica Museum in Wetzlar ausgestellt war oder vielleicht noch immer hängt. Weitere Aufnahmen, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind: Lake Louise, Boys on Shed, Boat Scrapers 1 und Girl in Blue Dress, um nur einige zu nennen.

Die Haptik des Buches gefällt mir auch sehr gut: Es wirkt hochwertig verarbeitet, und die Druckqualität der Fotografien ist ausgezeichnet, was den Farben noch einmal zusätzliche Tiefe verleiht. Modern Color ist für mich der Einstieg in Fred Herzogs Werk, aber auch eine Einladung, sich intensiver mit der Geschichte der Farbfotografie zu beschäftigen.

 

„Als Fotograf bin ich vor allem ein Beobachter, und für einen Beobachter ist es essenziell, die Augen offen zu halten. Diese Arbeit erfordert ständiges Üben: aufmerksam zu sein auf das Licht und auf die kleinen Details, das richtige Bildformat zu wählen und den richtigen Moment zu finden.“

Pentti Sammallahti

Pentti Sammallahti - Hier weit entfernt
Pentti Sammallahti ist ein finnischer Fotograf, der mit seinen stimmungsvollen Schwarzweißaufnahmen international bekannt wurde. Seine Arbeiten verbinden Landschafts-, Tier- und Menschenfotografie auf eindrucksvolle Weise, mit einem feinen Empfinden für Komposition und einem leisen, oft melancholischen Humor, den ich persönlich sehr mag.

Den Bildband Hier weit entfernt habe ich mir vor rund elf Jahren gekauft und bis heute gehört er zu meinen absoluten Favoriten. Erst kürzlich habe ich ihn mir wieder in einer ruhigen Stunde aus dem Regal genommen und bin beim Betrachten der Fotos in eine andere Welt eingetaucht. Wie können Fotografien einen nur so sehr in ihren Bann ziehen?

Was mich an seinen Bildern besonders fasziniert: Man kann sie, wie ich finde, keinem Genre eindeutig zuordnen. Sie bewegen sich irgendwo zwischen dokumentarischer Fotografie, Streetphotography und künstlerischem, phantasievollem Ausdruck und wirken dabei zeitlos schön.

Im Zusammenhang mit seinen Werken hört man auch oft die Bezeichnung „poetischer Realismus“.
Sammallahti fotografiert reale Orte, Menschen und Szenen, meist so, wie er sie vorfindet. Seine Bilder zeigen das Leben in ländlichen Regionen, kleine Städte, Alltagssituationen. Dabei dokumentiert er nicht explizit soziale oder politische Themen. Er lässt Spielraum für die eigene Interpretation.

Manche seiner Aufnahmen, vor allem solche mit Menschen im urbanen oder dörflichen Raum erinnern an Streetphotography: zufällige Begegnungen, stimmige Kompositionen, oft mit einem Schuss Humor oder Absurdität. Und: Er scheint Tiere sehr zu mögen, sie tauchen immer wieder auf und sind passend in seine fotografischen Kompositionen eingebunden.

Der Bildband selbst ist wunderbar gestaltet: in Leinen gebunden und mit feinem Druck. Ich kann ihn allen empfehlen, die sich für stille, phantasievolle Schwarzweißfotografie interessieren oder, wie oben erwähnt, für poetisch realistische Schwarzweiß Fotografie.

 

„Wenn du ein Künstler sein willst, ist es viel einfacher, dein eigenes Ding zu machen, als ständig bei anderen zu schauen.“

Alan Schaller

Alan Schaller – Metropolis

Wer sich für moderne Streetphotography interessiert, kommt an Alan Schaller kaum vorbei. Oder anders gesagt: Wer kennt ihn in der Szene nicht? Und darüber hinaus, der Mann kann nicht nur fotografieren, er ist auch Musiker.

Spannend finde ich, wie er überhaupt zur Fotografie kam. In einem Interview erzählt er, dass er sich damals einfach eine Kamera kaufte, um eine Frau zu beeindrucken, die selbst als Hobbyfotografin unterwegs war. Aus dieser spontanen Idee wurde schnell mehr, die Kamera ließ ihn nicht mehr los. Was als Versuch begann, jemanden zu beeindrucken, wurde der Anfang einer Leidenschaft, die bis heute anhält. Heute zählt Alan Schaller zu den prägendsten Stimmen der zeitgenössischen Schwarzweiß-Streetfotografie und inspiriert weltweit unzählige Fotografinnen und Fotografen mit seinem klaren, kontrastreichen Stil und seiner besonderen Art, Licht und Menschen zu sehen.

„Eines der aufregendsten Dinge an der Straßenfotografie ist aufzuwachen und nicht zu wissen, womit du zurückkommen wirst … das ist der Zauber.“

Ganz ehrlich: Bis vor etwa einem halben Jahr hatte ich den Namen Alan Schaller noch nie gehört. Ich war gerade dabei, mich online durch die Welt der (Street)Photography zu klicken, auf der Suche nach neuen Impulsen, um mein Wissen zu erweitern. Irgendwann stieß ich bei YouTube auf ein Video mit dem Titel: Street Photography in London – with Alan Schaller. Ein witziger Typ mit einem charmanten britischen Humor, der großartige Streetfotos zeigt und dem interessierten Zuschauer ganz nebenbei Tipps, Impulse und Inspiration für die Streetfotografie mit auf den Weg gibt.

Da mir seine Arbeiten gefallen, habe ich mir seinen ersten Bildband Metropolis zugelegt. Der in London lebende Alan Schaller ist ein Spezialist der Schwarzweißfotografie. Seine Fotos zeigen das Leben in den Metropolen unserer Welt London, Havanna, Kyoto, Istanbul oder New York und werfen dabei die Frage auf: Was macht die Stadt zur Stadt? Es geht um Menschen, um Architektur und um flüchtige Augenblicke.

Alan Schaller erklärt in einem Interview, dass Metropolis städtische Räume in Schwarz-Weiß abbildet und dabei Themen wie Isolation und Verlorenheit in der modernen Welt aufgreift, insbesondere durch minimalistische, geometrische Kompositionen. Und genau das setzt er mit seinen Bildern eindrucksvoll um.

Metropolis ist ein edler Bildband mit hochwertigem Druck und beeindruckenden Schwarzweißfotos, die nicht nur technisch nahezu perfekt ausgearbeitet sind, sondern auch Schallers Thema der Großstadt, der Architektur und des isolierten Menschen darin auf kunstvolle Weise transportieren.

 

„Ein von Regentropfen bedecktes Fenster interessiert mich mehr als ein Foto einer berühmten Person.“

Saul Leiter


Saul Leiter – The Centennial Retrospective

Saul Leiter zählt zu den bekanntesten Vertretern der New Color Bewegung. Sein 2023 erschienener Bildband „Saul Leiter: The Centennial Retrospective“, veröffentlicht anlässlich seines 100. Geburtstags, versammelt auf rund 350 Seiten die Essenz seines Lebenswerks. Stille Straßenmomente, interessante Farbspiele und viele bislang unveröffentlichte Aufnahmen.

Das Buch zeigt eindrucksvoll, wie sehr Leiters Kunst von Zurückhaltung, Intuition und dem Schönen im Unscheinbaren geprägt ist. Leiter fotografierte viel in Farbe, für die er heute weltweit bekannt ist. Seine Aktfotografie hingegen, meist Aufnahmen von Freundinnen und Bekannten, hielt er fast ausschließlich in Schwarzweiß fest. Diese Bilder wirken sehr persönlich und zeigen, wie er mit Licht und Schatten eine stille, beinahe malerische Atmosphäre schuf.

Saul Leiter (1923–2013) Während seine Zeitgenossen in den 1950er-Jahren meist in Schwarzweiß arbeiteten, fand Leiter in der Farbe eine ästhetische Sprache, um das Alltägliche in New York neu zu sehen, durch beschlagene Fensterscheiben, Spiegelungen, Schaufenster und zufällige Bildfragmente. Seine Fotos wirken oft wie Gemälde, in denen Form und Farbe wichtiger sind als das eigentliche Motiv.

Leiter arbeitete zeitweise als Modefotograf für Magazine wie Esquire oder Harper’s Bazaar, blieb aber stets dem leisen, beobachtenden Blick treu. Sein Archiv umfasst zehntausende Negative und Farbdias, die erst nach seinem Tod umfassend erschlossen wurden.

„Ich habe einen großen Teil meines Lebens damit verbracht, übersehen zu werden. Ich war immer sehr glücklich damit. Übersehen zu werden ist ein großes Privileg.“

Er hatte keinen Drang, laut zu sein oder etwas zu beweisen. Seine Fotografien entstehen im Vorübergehen, beiläufig und gerade dadurch gewinnen sie eine zeitlose Qualität. Saul Leiter sah sich selbst nie als Jäger des perfekten Moments, sondern als jemand, der Dinge findet. Seine Motive entdeckte er zufällig: in Reflexionen, durch beschlagene Fensterscheiben, in Spiegelungen und Lichtflecken auf Glas.

Er liebte das Fragmentarische und das Unvollkommene. Unschärfe, verdeckte Blickwinkel und Farbflächen wurden bei ihm zu Gestaltungsmitteln, mit denen er Atmosphäre statt Präzision suchte. Leiter fotografierte nicht, um zu erklären, sondern um zu zeigen, wie Schönheit im Alltäglichen, im Vorübergehenden entstehen kann.

Vielleicht war Saul Leiter der erste wirkliche Streetfotograf auch wenn er diese Bezeichnung vermutlich abgelehnt hätte.

„Ich gehe raus, mache einen Spaziergang, sehe etwas, mache ein Foto.“

Ich liebe dieses Zitat von ihm, es hat Humor und zugleich viel Wahrheit. Heute neigen wir dazu, alles in Begriffe zu packen, um einzuordnen, uns abzugrenzen oder zu spezialisieren. Das meine ich ganz ohne Wertung. Aber was ist zum Beispiel überhaupt Streetfotografie? Darüber ließe sich stundenlang philosophieren. Oder man zitiert einfach noch einmal Saul Leiter.

„Saul Leiter: The Centennial Retrospective“ ist ein Bildband, den ich wirklich jedem ans Herz legen kann, nicht nur, wenn man sich für die großen Meister der Fotografie interessiert, sondern auch, wenn man Kunst im Allgemeinen liebt und mehr über das faszinierende Leben Saul Leiters erfahren möchte. Der Bildband ist sehr schön gestaltet und hat, wie es sich gehört, einen wunderbaren Druck.

 

„Der Gedanke für uns (Straßenfotografen) war immer: ‚Wie viel könnten wir absorbieren und umarmen von einem Moment des Daseins, der in einem Augenblick verschwinden würde?‘ …“

Joel Meyerowitz


Joel Meyerowitz – A Sense of Wonder – Photographs 1962–2022

Joel Meyerowitz – ein Name, der mir immer wieder begegnete, als ich begann, mich intensiver mit Streetfotografie zu beschäftigen. Das erste Buch, das ich mir von ihm gekauft habe, war Meister der Fotografie, ein kleines, inspirierendes Lehrbuch über seine Herangehensweise an die Fotografie. Da ich selbst seit über zwanzig Jahren fotografiere, waren nicht alle Tipps neu für mich. Trotzdem hat mich das Buch auf eine besondere Weise motiviert. Vor allem der philosophische Ansatz von Meyerowitz hat mich dazu angeregt, weiter an meiner eigenen Fotografie zu feilen und Neues auszuprobieren.

Da ich Joel Meyerowitz erst relativ spät für mich entdeckt habe, besitze ich bislang tatsächlich nur seine aktuelle Veröffentlichung, den Bildband Joel Meyerowitz: A Sense of Wonder – Photographs 1962–2022, erschienen 2025 bei SKIRA (Thames & Hudson).

Das Buch zeigt einen eindrucksvollen Querschnitt seines Schaffens, der weit über Street- oder dokumentarische Fotografie hinausgeht. Man findet darin auch Stillleben, Landschaften und Porträts, Arbeiten, die seine Vielseitigkeit und seine kontinuierliche Neugier auf das Leben widerspiegeln.

Joel Meyerowitz (1938, New York) zählt zu den prägenden Figuren der modernen Street- und Dokumentarfotografie. Bekannt wurde er in den 1960er-Jahren als einer der ersten Fotografen, die konsequent in Farbe arbeiteten zu einer Zeit, als die Kunstwelt Farbaufnahmen noch als minderwertig gegenüber der Schwarzweißfotografie betrachtete.

Sein Werk ist geprägt von einem gutem Auge für Licht, Komposition und den flüchtigen Moment. Meyerowitz fotografierte das urbane Leben mit einer Mischung aus Spontaneität und Präzision Menschen, Straßen, Bewegung, Stille. Besonders seine Aufnahmen aus New York und Cape Cod zeigen, wie meisterhaft er das Alltägliche in spanende Bilder verwandeln konnte.

In den 1970er-Jahren veröffentlichte er einflussreiche Bücher wie Cape Light (1978), das bis heute als Meilenstein der Farbfotografie gilt. Später dokumentierte er unter anderem den Wiederaufbau von Ground Zero (Aftermath, 2011) und beschäftigte sich zunehmend mit Landschaften und Architektur.

Meyerowitz’ Arbeiten stehen für eine fotografische Offenheit, er beobachtet, ohne zu urteilen, und zeigt die Welt in ihrem natürlichen Rhythmus aus Licht und Bewegung. Sein Schaffen beeinflusste Generationen von Fotografinnen und Fotografen, die Farbe nicht als Stilmittel, sondern als integralen Bestandteil visueller Wahrnehmung verstehen.

Joel Meyerowitz’ Werk inspiriert mich wirklich sehr, nicht nur seine Bilder, sondern auch seine Art zu denken. Seine Haltung zur Fotografie, dieses offene, neugierige Sehen, ist etwas, das mich immer wieder motiviert. Die Bildbände Aftermath und Cape Light stehen noch auf meiner Wunschliste, letzterer ist leider gar nicht so leicht zu bekommen, aber ich gebe nicht auf. ;-)

„Ich denke bei Fotografien daran, ob sie voll oder leer sind … Man füllt den Rahmen mit Gefühl, Energie, Entdeckung und Risiko und lässt trotzdem noch genug Raum, damit jemand anderes darin Platz findet.“

Für Meyerowitz ist Fotografie keine geschlossene Erzählung. Ein gutes Bild bleibt offen, lässt Spielraum für Interpretation und Emotion. Genau das macht seine Arbeit zeitlos, sie spricht nicht nur über den Moment, sondern mit ihm.

Der Bildband A Sense of Wonder – Photographs 1962–2022 - zeigt einen schönen Querschnitt über Joels meyerowiz bisheriges schaffen als Fotograf. Der Bildband ist sehr gut verarbeite und hat einen ausgezeichneten Druck.

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Analoge Fotografie ist noch lange nicht tot.